Als wir uns mit unserem Silberflitzer auf dem Weg machen und die Sierra Nevada hinter uns lassen freuen wir uns schon auf das was kommt. Nach 2 Tagen Wandern, bei Wind und angenehmen 28 Grad und fast ohne menschliche Kontakte – der Kellner zählt nicht – können wir unseren nächsten Stopp kaum erwarten: Tarifa!
Schon als wir in das Küstenstädtchen einfahren ist uns klar: Genau das haben wir gebraucht! Kleine, süße Surfershops reihen sich hier aneinander, gemütliche Cafés laden zum relaxen ein und jede Menge Bars und gute Restaurants sind nur dafür die Nächte zu verkürzen. Unser Hostel liegt nur knappe 3 Gehminuten vom Zentrum enfernt, das durch das Mudéjahufeisentor markiert ist, und uns mit dem Motto der Stadt begrüßt: „muy noble, muy leal y heroica cuidad“ – sehr noble, treue und heldenhafte Stadt. Betrachtet man das Stadtbild Tarifas – die schmalen, weißen Gässchen, die coolen Bars und hippen Boutiquen trifft es „nobel“ nicht ganz. Viel mehr präsentiert sich uns Tarifa als die coole Surfercity schlechthin: Longboarder cruisen die Straßen entlang, Surferboys und -girls flanieren auf den Straßen entlang oder chillen bei einem bunten Smoothie oder einem Cocktail in den stylischen Bars.
Ja, wir mögen Tarifa – und so passen wir uns gleich an die örtlichen Gegebenheiten an und genießen den Beach Lifestyle am Strand von Tarifa. Davon gibt es hier übrigens zwei: den Mittelmeerstrand und den Atlantikstrand, dem Hotspot der Surfer und Kiter. Auch als wir am Strand liegen pfeift der Westwind durch Tarifa und macht dem Mekka der Surfer alle Ehre.
Aber nicht nur für den Wind ist Tarifa berühmt, sondern auch weil es am südlichsten Punkt Spanien und an der engsten Stelle der Straße von Gibraltar liegt. Nur 14 Kilometer trennen hier Europa von Afrika. Einen kleiner Schritt für die Mauren, als sie im Jahre 710 zur ersten Erkundung aufbrachen, und ein noch kleinerer heutzutage. Denn: Täglich setzen mehrere Fähren nach Marokko, genauer genommen nach Tangier, über. Einen zweiten Kontinent in unsere Reiseplanung packen? Da sagen wir nicht nein und sichern uns Tickets für die FRS Fähre die uns auf diesen doch so anderen Kontinent „Afrika“ bringt.
Ohne Guide und mit den beunruhigenden Worten der vielen „I-am-an-official-Tourist-Guide“-Männern im Ohr betreten wir den marokkanischen Boden. „It’s dangerous.“, „Oh, it’s not fun.“, „It’s not safe“ sind die paar englischen Wortfetzen die uns die Marokkaner, die uns auf Schritt und Tritt verfolgen, entgegenwerfen. Unsicher ob es denn jetzt wahr ist oder eben doch nur ein Trick Geld zu verdienen eilen wir zum Ausgang des Hafengeländes, wo wir dann doch unseren Guide finden. Hicham begrüßt uns mit den Worten: „I’m the last one who tries. It’s not dangerous but it’s easier.“ und damit hatte er uns – und seine verdienten 10 Euro.
Gemeinsam mit Hicham beginnen wir unsere kleine Erkundungstour durch Tanger, die Stadt die in den 50-er und 60er Jahren vor allem auf Schmuggler und Geheimagenten einen besonderen Reiz ausübte. Nicht umsonst ist die Stadt noch heute Schauplatz vieler Agenten-, Action und Spielfilme – zum Beispiel bei Inception. Tanger ist das Tor zu Afrika und zeigt Marokko wie es im Buche steht: kleine verwinkelte Gassen führen durch die Altstadt, rote Hauswände reihen sich an blaue und weiße Wände, bunt verzierte Türen mit den arabischen Spitzbögen stehen neben dicken Holztüren. Hinter diesen Türen verbergen sich zahlreiche geschäftstüchtige Araber. Durch die offenen Türen spähen wir in Barbier-Shops, kleine Kioske die Wasser und die nötigsten Lebensmittel verkaufen, kleine Schneiderein, in denen Männer sitzen die den Marokkanerinnen den gewünschten Kaftan, ein langes Kleid welches sie zum Ausgehen tragen, nähen. Durch die Gassen der verwinkelten Altstadt ziehen sich neben den verschiedenen Farben auch die unterschiedlichsten Gerüche: Während wir mit Hicham durch die Gassen schlendern kommen wir an kleinen Werkstätten vorbei, in denen es nach frisch verarbeitetem Holz riecht. In der nächsten Gasse steigt uns ein rauchiger, süßlicher Geruch in die Nase, der aus den Gemeinschaftsbäckereien kommt – einer Backstube, zu der marokkanische Familien ihre Brotteige und andere Mahlzeiten bringen, um sie in einem Kohleofen backen zu lassen. In vielen Häusern der Altstadt gibt es neben einem Kohleofen auch kein fließendes Wasser, erzählt uns Hicham und deutet auf einen öffentlichen Trinkwasserbrunnen, an dem sich gerade jemand einen Kübel Wasser holt. Wer sich das Wasser nicht holen will, der wartet auf ein Klingeln – denn durch die Gassen der Altstadt ziehen auch, in den traditionellen, bunten marokkanischen Gewändern gekleidete Männer, die aus einem aus Tierhaut genähten Beutel Wasser gegen Geld ausschenken. Die malerisch bunte und eher am Land verbreitete Tracht sieht man auch auf den Märkten, die jeden Donnerstag und Sonntag stattfinden und die Landbevölkerung in die Stadt ziehen, wo sie ihren Eigenanbau verkaufen. Alte Frauen mit tiefen Falten und Strohhüten mit bunten Wollkugeln verziert verkaufen am Markt alles was der eigene Grund und Boden hergibt – über Ziegenkäse, zu Obst und Gemüse bis hin zu gerupften Hühner findet man auf den Märkten alles was der Bauch begehrt.
Nach unserem Spaziergang durch die kleinen Gassen, vorbei am Gewürzmarkt, am „Süßigkeiten-Markt“, in dem allerlei Karies-erzeuger verkauft werden, und nach einer Verschnaufpause bei der englischen Kirche, kehren wir in einem Café am Grand Socco ein und genießen bei einem Minztee das geschäftige Treiben am Platz. Das warme Getränk macht die Hitze der pulsierenden Stadt Tanger noch heißer, dennoch haben wir nach dem Zwischenstopp wieder mehr Energie. Nach der heißen Erfrischung gehen wir in die Kasbah, zum Sultanspalast am Nordrand der Medina (Altstadt). Vor einer blauen, schmalen Tür bleibt Hicham stehen und schaut uns an: „This is were Jimi Hendrix lived“. Ja, Jimi Hendrix war Gast im marokkanischen Tanger. Und nicht nur er, auch die Rolling Stones oder Henri Matisse fühlten sich in Tanger wohl. Und das nicht nur weil man damals im Café zum Tee auch ein bisschen Haschisch bestellen konnte 😉
Am höchsten Punkt der Kasbah überblickt man die Meerenge von Gibraltar, wo MIttelmeer und Atlantik aufeinander stoßen. Dort oben stehend blicken wir auf Spanien und realisieren erst jetzt, dass wir gerade auf einem ganz anderen Kontinent sind. Am Meer im Hafen sehen wir bereits die Fähren abfahren, aber bevor es für uns wieder zurück nach Europa geht lassen wir uns noch einmal durch die kleinen, schmalen Gassen, durch die gerade mal Handkarren passen auf denen alte Marokkaner allerlei Teppiche, Töpfe oder Gemüse schieben, zurück in die Medina treiben. Hicham raucht eine Zigarette und begrüßt die auf den Straßen tobenden Kinder während wir ihm durch die Straßen folgen, in welchem man sich schnell mal verlieren kann. Unser letzter Stopp führt uns in ein Restaurant in dem wir das marokkanische Leben schmecken: eine erfrischende Gemüsesuppe mit frischem Brot aus der Gemeinschaftsbäckerei, saftiger, weißer Couscous mit knallorangen Karotten, Kraut, Gurken, karamellisierten Zwiebeln und Rosinen in einer roten Tajine gekocht und serviert und als Nachspeise ein knuspriges, marokkanisches Baklava. Genauso farbenfroh und vielfältig wie das Leben auf Marokkos Straßen ist, schmeckt auch die marokkanische Küche.
Eine Stunde später, nach der erfolgreichen Ausreise aus Marokko, der Verabschiedung von Hicham und einer 40-minütigen Bootsfahrt sind wir wieder auf euopäischen Boden in kleinen, weißen Tarifa. So fern sind plötzlich die Farben Marokkos als die Sonne in Tarifa untergeht.
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