Wir sind hier– an einem Ort zwischen riesigen Bergen aus Sand und einem Dach aus Milliarden Sternen. Vor 4 Stunden sind wir bei den Dünen von Erg Chegaga angekommen. Nach einer langen Fahrt durch verlassene Wüstenlandschaften, vertrocknete Seen, vorbei an wandernden Nomaden, die mit ihren Dromedaren durch die gelbe Landschaft ziehen. Mohammed manövriert unseren schwarzen Jeep geschickt über die Sanddünen der alten Paris-Dekar Strecke. Es ruckelt. „Gratismassage“, lacht er.
Rallye Dakar – die berühmteste Wüstenrallye der Welt. Sie fand von 1978 bis 2007 einmal jährlich statt. 2008 wurde sie wegen einer Terrordrohung abgesagt und findet seither in Südamerika statt.
War es vorher ganz flach, bäumen sich plötzlich vor uns gelbe Berge aus Sand auf. Wir sind da: Unser heutiger Schlafplatz liegt direkt an den Dünen von Erg Chegaga. Mit einem schmunzelnden „Enjoy!“ lässt Mohammed uns in der Sahara zurück, als wüsste er etwas was wir noch nicht wüssten. Die Sonne steht mitten am Himmel und es ist heiß. Langsam marschieren wir durch das leere Camp zu unserem Zelt. Die Luft in dem Zelt steht, kein Luftzug geht durch die Plastik- und Stoffplanen. Aber der Sand schafft es, sich ins Zelt zu drängen. Wir lassen uns auf das Bett fallen, auf dessen Leintuch eine feine Sandschicht verteilt ist.
Die Sandwüste des Erg Chegaga ist die Größte in Marokko. Das Gebiet ist rund 150 km² groß und hat 80 bis 100 m hohen Sanddünen. Wüste ist aber nicht gleich Wüste: Auch in den „Erg“s (Sandwüsten) gibt es Sträucher – nicht nur Sand, Sand und nochmal Sand. Übrigens: Dromedarritt in die Wüste – bitte nicht! 1. Unangenehm nach 10 Minuten – der Rück-ritt wird für den Allerwertesten besonders schmerzhaft. 2. Den Tieren werden nach dem Ritt die Vorderbeine zusammengebunden, damit sie dort auf den Rück-Ritt warten, wo man sie „abstellt“. Würde ich definitiv nicht mehr machen!
Die Sonne wird schwächer und wir brechen auf in die Wüste. Leichtes, luftiges Gewand, ein Tuch zum um den Kopf binden, Sonnenbrillen und Wasser. Langsam marschieren wir die Dünenkämme entlang. Immer wieder versinken wir mit unseren Schuhen im Sand, eher wir am ersten Dünengipfel ankommen. Mir stockt der Atem: Vor mir breitet sich ein gelbes Meer aus. Soweit ich sehen kann nur hohe Wellen aus gelbem Sand. Es dürfte 17 Uhr sein, die Sonne senkt sich bereits zum Horizont und wir beschließen weiter zu wandern um einen Dünenkamm für den Sonnenuntergang auszuwählen. Während wir durch die Dünen wandern, verändert sich die Farbe der Dünen. Sie werden zuerst orange dann immer röter. Auf einer hohen Düne mit Blick auf den orangen Ball am Himmel setzen wir uns in den Sand. Der Wind weht und treibt uns die Sandkörner ins Gesicht. Bei jedem Wort knirscht es zwischen unseren Zähnen. Eingewickelt in unsere Tücher und schweigend sitzen wir auf dem noch warmen Sand und schauen zu wie die Sonne untergeht. Innerhalb weniger Minuten ist sie hinter den Sandwellen verschwunden.
Es wird dunkel. Nachdem wir an den Kämmen der Dünen entlanggewandert sind, liegen wir nun, die Köpfe nebeneinander gelegt, auf einer Matratze am Rande der Dünen von Erg Chegaga. Wie zwei voneinander weisende Uhrzeiger liegen wir in der Wüste, nur unsere Köpfe berühren sich und blicken in den Wüstenhimmel. Nachdem die Dünen der Sahara vorhin unser Zengarten waren, sind die Sterne nun unser Malen nach Zahlen. Wir suchen Formationen, helle Sterne und Sternschnuppen. Es sind so viele, denke ich mir, und es kommt mir fast so vor als würden es immer mehr werden. Kein Fleck auf dieser dunklen Himmelsdecke hat keinen leuchtenden Stern. Ein matt schimmernder, milchiger Streifen zieht sich über die Kuppe über uns. Die Milchstraße, fragen wir uns, und drücken uns an den Händen. Es ist als hätte jemand eine löchrige Decke über uns Kinder geworfen. Nur ganz fein dringt, durch die vielen Löcher das Licht von außen zu uns. Das Licht anderer Welten. Man fühlt sich klein und unbedeutend hier und doch ist man Zuseher bei etwas so Großem.
Es ist 2 Uhr früh. Habe nur ich das Gefühl oder werden die Sterne immer mehr, denke ich mir als ich eingewickelt in eine Decke vor dem Zelt stehe. Es ist kalt hier in der Wüste. 3 Decken haben wir auf unserem Zeltbett und es ist trotzdem eisig kalt. Man sieht meinen Atem. Jedes Mal wenn ich mich im Bett drehe, lässt mir die eisige, nicht vorgewärmte neue Stelle des Polsters die Wange kribbeln. Ich schaue noch ein letztes Mal in den Sternenhimmel der Sahara. So müssen sich Nomaden fühlen, denke ich mir, schließe die Augen und versuche mir das Gelb-Orange der Dünen, das Gespür des Sandes während ich einen Sandengel mache, den fast schwarzen Himmel mit den Abermillarden Sternen, die Milchstraße, die Sternschnuppen und das Gefühl genau hier und jetzt in der Sahara zu stehen einzuprägen und für mich zu konservieren. Um es in mein Regal voller schöner Reiseerinnerungen und Momente zu stellen, es immer wieder mal zu öffnen und mich daran zu erinnern.
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Marie says
Wow, so schön geschrieben liebe Kerstin! Das muss ein tolles Gefühl gewesen sein. 🙂
Gabriele Wimhofer says
Wunderschöner Bericht!
rosabluete says
Tolle Fotos, toller Bericht und sicher ein wahnsinnig tolles Erlebnis.