Ich habe gewusst, dass es schwer wird. Zum Glück aber wusste ich nicht, wie schwer es sein wird, Geliebtes zurückzulassen. Nach 5 Wochen Reise schaue ich zurück auf den Start meiner Reise: Auf den Abschied, die ersten Tage und auch die ersten Probleme.
Der Abschied.
Ich ziehe langsam die Türe hinter mir zu. „Noch kannst du bleiben“, schießt mir der Gedanke durch den Kopf und die Tränen in die Augen. Ich wische die Träne unter meiner Brille weg. Ich wusste, dass sie kommen werden. Aber sie wollen, seit dem der Nomaden-Mann heute früh die Türe hinter sich zugezogen hat, nicht mehr gehen. Ich atme tief ein und der Rucksack auf meinem Rücken fühlt sich nach einem hunderte Kilo schwerem Ballast an. Es ist 11 Uhr und in 3 Stunden geht mein Flieger nach Teheran. Ich habe beschlossen, alleine zum Flughafen zu fahren. Keine große Verabschiedung. Keine Tränen. Kein Drama. Genauso wie ich mir mit dem Nomaden-Mann ausgemacht habe, dass er in der Früh ins Büro geht und wir so tun, als würden wir uns am Abend wieder sehen. Als er vor der Haustüre steht, durch die wir normalerweise gemeinsam gehen, lässt sich der Gedanke, dass zwischen Morgen und Abend 6 Monate sein werden, nicht mehr verdrängen. Ich schluchze. Nach vielen Umarmungen und Küssen fällt die Türe ins Schloss. Ich bin ein Häufchen Elend. Ich schleppe meinen Rucksack die Stufen hinunter und bleibe vor dem Briefkasten stehen. Dort soll ich, wie mit dem Nomaden-Mann ausgemacht, den Schlüssel einwerfen. „Noch kannst du…“ Noch bevor ich den Satz zu Ende gedacht habe, werfe ich den Schlüssel in den Postkasten. Ich gehe.
Die ersten Tage.
Ich kann nicht schlafen und ich kann nicht essen vor Heimweh. Mein Herz tut weh. Als ich durch den Golestan Palast wandere, schleppe ich tausend Steine mit, als ich auf dem Matratzenlager in Hamids Wohnzimmer liege, tränken meine Tränen den Polster, als ich im Bus nach Kashan sitze, tippe ich auf meinem Handy. „Ich will sofort nach Hause.“, steht am Display. Als der Busfahrer kommt und mein Ticket kontrollieren will, lasse ich mein Handy in die Tasche sinken und werde augenblicklich nervös. Ich halte mein Telefon seit Tagen in der Hand, als wäre es mein Teleporter nach Hause. Es ist meine Nabelschnur, die mich in schweren Momenten am Leben erhält. Dann, wenn das Heimweh und das Vermissen groß sind. Dank der iranischen SIM-Karte, die ich mir gleich am Flughafen gekauft habe, bin ich immer virtuell mit meinem Zuhause verbunden, skypen mit dem Nomaden-Mann, informiere die Nomaden-Familie und schreibe über WhatsApp mit Freunden. Selbst das Lesen der Arbeitsmails, was ich mir ja eigentlich strengstens verboten habe, hilft mir ein bisschen Vertrautheit zu finden, wenn alles andere so fremd ist.
Es wird.
Die Tage vergehen und im Iran finde ich ein bisschen Heimat, durch die vielen Menschen, die ich kennenlernen durfte. Mit meiner iranischen „Reisefamilie“ gehe ich essen, erlebe Abenteuer und führe lange Gespräche. Es kommt ein Gefühl der Vertrautheit auf. Als Mira, meine Freundin aus Hongkong, mich nach einer durchgefrorenen Nacht im Bus nach Shiraz umarmt, um mich aufzuwärmen, sticht es in meinem Herzen. Ich merke, dass ich Mira beim Selfies machen umarme, dass ich meine Hand auf Jakobs Schulter lege, als ich mich bei ihm bedanke. Ich merke, wie sehr ich diese Vertrautheit, die Umarmungen lieber Personen, körperliche Nähe vermisse. Aber ich merke auch, dass das schmerzende Heimweh weniger wird. Ich gewöhne mich daran, alleine zu schlafen und nicht mehr panisch nach seiner Hand zu suchen. Ich gewöhne mich daran, nicht jedes Erlebnis gleich besprechen zu können, sondern bis zum nächsten Skype-Date zu warten und ich schaffe es die vielen neuen Erlebnisse zu genießen. Das Handy wandert immer öfter in die Tasche.
Die Probleme.
Ich lande auf Bali und fühle mich unwohl. Hier ist alles wieder anders als im Iran: Die Menschen, die Sitten, die Umgebung. Und auch: die Uhrzeit. An diesen Wechseln muss ich mich erst gewöhnen. War ich vorher 2 Stunden 30 vor meinem Zuhause, trennen uns hier in Indonesien schon 6 Stunden. Wenn ich abends im Bett liege, vermisse ich den Nomaden-Mann am meisten. Dann ist er gerade im Büro, mitten in Meetings oder trifft Freunde. Als ich gerade mit dem Moped über die Insel cruise und die Sonne genieße, schreibt er mir, dass er gerade aufgewacht ist und mich sehr vermisst. Unterschiedlicher könnten die emotionalen Tagesstimmungen nicht sein. Das macht es nicht einfach. Trotzdem finden wir einen Rhythmus und hören uns wenn möglich wenn er aufsteht – 15 Uhr bei mir – und wenn ich schlafen gehe – 17 Uhr bei ihm.
Sonnenuntergänge, Essen und das Allein sein.
Ich schau auf den Horizont. Vor mir senkt sich die große orangene Kugel. Sie sieht wie eine riesige Blutorange aus und der Himmel leuchtet so rosa wie Zuckerwatte. Das Meer unter mir glitzert. Ich halte mich an meinem Bintang Bier fest und blicke starr in die Ferne. Genau in solchen Momenten fehlt er mir besonders. Der Mensch, mit dem ich mein Leben teilen möchte. Auch diesen und jeden weiteren Sonnenuntergang meines Lebens. Beim Essen danach lese ich mein Buch. Neben mir sitzt ein französisches Pärchen und ich ertappe mich wie ich abwechselnd neidisch, entzückt und angewidert zu ihnen schaue. Ich frage mich, wie er dieses Curry wohl gefunden hätte und welchen Cocktail er wohl bestellt hätte. Anders als aber noch vor zwei Wochen treiben mir diese Fragen keine Tränen mehr in die Augen.
Planänderung.
Ich scrolle durch die Air BnB Wohnungen in Melbourne. Ein Zimmer, zwei Wochen, neunhundert Euro. Ich schlucke und schau auf mein schwarzes Finanzbuch, das neben mir auf dem Bett liegt. Bali war teuer. Man hat mich schon vorgewarnt, dass auch Melbourne mein Konto belasten wird. So sehr, war mir aber nicht bewusst. Ich erinnere mich an ein Kommentar eines Bekannten unter meinen Blogbeitrag zu Reiseplanung. „Wie oft wirst du es wohl noch umplanen?“, sehe ich es vor mir. Einmal geht noch, denke ich mir und öffne die Flugsuchmaschine. Diesmal suche ich aber für zwei Personen. Wieso, das erzähl ich euch ein anderes Mal 😉
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Karin Posch says
Soooo schön! Fernweh und Heimweh zugleich kann ich total nachvollziehen.