Nach einem wackeligen Transport komme ich an, wo ich hin will: Ubud. Der letzte Stopp in Bali. Als der Taxifahrer um die Ecke biegt, erkenne ich das Schild des Hotels, dass ich am Tag zuvor gebucht habe. Er bremst. „Zu früh“, denke ich und erstarre bei dem Gedanken meinen mittlerweile 15 Kilo schweren Rucksack tragen zu müssen. Ich beuge mich zu ihm vor, als ich plötzlich den Grund unseres Stopps verstehe. Zwei kleine Affen sitzen mitten auf der Straße. Sie toben wie Kleinkinder, ziehen sich abwechselnd an den Schwänzen und zeigen sich die Zähne. Wie man in anderen Städten am Zebrastreifen hält, hält man hier in Ubud also für spielende Affen. Ich zucke meinen Fotoapparat aus meinem Tagesrucksack. Am Ende von 4 Tagen Ubud werde ich für Affen nicht einmal meine Hand bewegen, geschweige meinen Rucksack öffnen. Höchstens die Straßenseite wechseln.
Tiefe Täler.
Wieder diese Frage. Wieder dieselbe Antwort. „Yes, I am alone. Yes, I know that I have to pay the double room price. “ Ich bin müde. Von der Anreise nach Ubud, die mich zwei Bootstickets, eine 90 Minuten Taxifahrt und ein paar Nerven gekostet hat. Ich lächle die kleine Balinesin die wie 14 aussieht, aber sicher 40 ist an und sage mit meiner glaubwürdigsten Stimme: „It’s ok.“ Das Alleinsein, glaubt sie. Das Zimmer, meine ich. Sie drückt mir den Schlüssel mit dem großen hölzernen Affenanhänger in die Hand und geht. Als ich die Türe hinter mir zusperre, sehe ich im Spiegel mein Gesicht. So wie es ausschaut, schaffe ich heute auch kein Lächeln mehr. Ich lasse mich mitsamt meiner Schuhe und dem Gewand aufs Doppelbett fallen. Wieder ein neues Bett. Wieder ein neuer Ort. Wieder von vorne beginnen. Wieder nur für 4 Tage. Wieder alleine. Ich atme tief ein und wieder aus. Doch manchmal hilft auch das nicht. Mein Gesicht ist salzig vom Meerwasser. Aber nicht nur.
Weite Felder.
Ich steige auf das Rad, überprüfe die Luft und die Bremsfunktion. Der Helm sitzt. Ich bin in fast jedem Urlaub mit dem Rad unterwegs und kenne mich aus. Im Gegensatz zu den Polen, mit denen ich diese Tour machen werde. Eine junge Frau mit Brüsten, so aufgeblasen wie Wassermelonen, hält den Fahrradlenker zwischen den manikürten Fingern. Neben mir quietscht es. Ihr Mann schießt an der geschotterten Straße an mir vorbei und bremst nach 10 Metern so stark, dass mir der Straßenstaub in die Augen weht. Ein altes polnisches Pärchen beäugt ihre Räder noch argwöhnisch. Insgesamt sind wir 12 Personen. Die Polen, ein Pärchen aus den Niederlanden und ich. „Ready?“, sagte der dickliche Guide hinter mir, dem man nicht zutraut alleine auf das Rad zu kommen. Ich nicke und steige auf. Er wuchtet sich ebenfalls auf das Rad und die anderen tun es ihm gleich. Wir rollen an. Vorbei an alten Häusern, kleinen Tempeln, weiten Feldern mit Reis. Vor den Häusern liegen Opfergaben mit kleinen aus Blättern geflochtene Schalen mit einem Friedhof aus Blütenköpfen darin. Der dickliche Balinese winkt. Wir stoppen. Während ich abbremse, fährt eine alte Polin an mir vorbei und steuert auf den Baum zu. Gerade noch rechtzeitig findet ihre Hand die Bremse und ihre Füße den Boden. Ich verdrehe innerlich die Augen und denke an die Japanerin im Kochkurs in China, die nicht kochen kann und an den Chinesen beim Schnorchelausflug auf Nusa Lembongan, der nicht schwimmen konnte. Jetzt also Polen, die nicht Radfahren können.
Made, der pummelige Guide, führt uns in ein altes Haus am Straßenrand. Vor dem Eingangstor liegt eine geflochtene Opferschale mit bunten Blüten. Mitten darin ein Mentolzuckerl. Für Ganesha, Shiva & Co mit schlechten Atem? Ich muss schmunzeln. Als ich eintrete, kommt mir eine Frau mit einem weinenden Baby am Arm entgegen. Sie summt leise vor sich hin, lächelt mich an. Der Innenhof ist offen und groß, eingegrenzt von drei Gebäudeteilen und einem kleinen, mit einem Gitter abgesperrten Tempel- und Betbereich. Ich schaue mich um. Eine Türe steht offen. Im Inneren stehen Töpfe und Pfannen um ein Loch im Boden. Ein Hocker steht davor. „Kitchen.“, sagt Made und erklärt der ganzen Gruppe, dass jeder Bereich des Hauses seinen bestimmten Platz hat. Nicht nur in diesem, sondern in jedem anderen Haus. Das Schlafzimmer der Großeltern findet man immer im Süden. Made grinst, also er zum Tempel deutet. „Do you know that we have a ceremony for everything?“ Es gibt Zeremonien für den ersten Bartschnitt, die erste Periode, die Hochzeit, die Geburt des Kindes, den Tod. Sogar Zeremonien, für die Hühner gestohlen werden. „Gibt es das bei euch auch?“, grinst Made mehr rhetorisch in die Runde. „Vodka! We have Vodka!“, schreit der Pole neben mir. Ich lächle schwach. Sein Kumpel klopft ihm auf die Schulter. Made redet weiter. Die Polen reden lauter. Made setzt erneut an. Die Polen lassen sich nicht beirren. Jedes 5. Wort ist Vodka. Ich schnaufe und würde die Gruppe gerne zurechtweisen, aber mittlerweile bin ich sogar dafür zu hinduistisch. Ich lasse es und trage mir mental ein Plus in meine Karmaliste ein. Wieder ein bisschen weiter weg von der Ameise. Made gibt die Erklärungen auf, ich das Ärgern. Wir fahren weiter. Als wir auf die Reisfelder abbiegen und eine schmale Straße entlangfahren, weiß ich, dass am Karma was dran ist. Oder wars doch der Vodka, der den lauten Polen mit vollem Karacho mit dem Gesicht voran direkt in die nassen Reisfelder befördert hat?
Hohe Berge.
„Stopp!“ Wir halten vor einem weißen Pick-up, auf dem bereits einige Räder geparkt sind. Die Polin mit den glitzernden Schuhen steigt erleichtert vom Rad. „If you like we can go 16 minutes more. But it is uphill! You want?“, sagt Made und grinst, als wüsste er bereits die Antwort. „Ok! Great!“, sage ich und steige wieder auf mein Rad. Mades Grinsen erstarrt. „It’s uphill!“, wiederholt er, als hätte ich ihn nicht verstanden. „Good!“, sage ich und hebe zur Verdeutlichung meinen Daumen. Missmutig steigt er auf sein Rad, blickt in die Runde und fragt: „Anyone else?“ Drei Polen und der Niederländer heben die Hände. Hätte mich auch gewundert… Und so radle ich mit der verkleinerten Männerrunde weiter. Nach einer 10-Minuten-Fahrt bleiben wir an einer Kreuzung stehen. Made dreht sich zu mir um. Sein Gesicht gleicht einer Tomate. Er schnauft. „Uphill, right?“ Ich denke an die österreichischen Berge, an die Radstrecken im Wienerwald und sogar an die Donauinsel und grinse. Wir Österreicher sind eben anderes Gelände gewöhnt.
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