„Und das traust du dich?“, höre ich die Stimme meiner besten Freundin sagen. Ich stehe im Frauenbereich der U-Bahn in Teheran und schaue auf den Boden. „Women only“, steht da und das grellgelbe Symbol einer schwarz verschleierten Frau. Ja, ich traue mich. Ich bin als Frau allein im Iran.
So geht Style.
Zuhause. In ein Land fahren ohne sich vorher zu informieren, was man zu beachten hat, geht nicht. Und hier rede ich nicht nur vom Iran. Ich sitze lange vor dem PC und scrolle mich durch Blogs und Infoseiten: langärmelige Kleidung, knöchel-bedeckende Hosen, lange t-Shirts oder Blusen, die die Oberschenkel verhüllen und natürlich ein Kopftuch. Verzweifelt schleiche ich zu meinen Kleiderschrank und ahne: Fehlanzeige. Natürlich, ein paar Teile sind dabei, aber stylisch ist was anderes. Ich marschiere aus dem Zimmer, packe meine Tasche und gehe shoppen.
Teheran. Es ist laut in der U-Bahn. Die Frau neben mir grinst mich an, während sie in ihr Handy schwatzt. Sie trägt einen sonnengelben Mantel und ihr schwarzes Kopftuch hängt lose an ihrem schwarzen Haarknoten. Das junge Mädchen neben mir tippt auf ihrem Handy. Auf ihrer Jeans ranken sich gestickte Blüten. Ich blicke an mir herunter: schwarze Legging, schwarzes langes Kleid und ein dunkles Kopftuch. Ich muss grinsen. Ich bin wohl wesentlich konservativer gekleidet als die meisten Iranerinnen.
Die Kleiderordnung.
1. Der Hijab – Das Kopftuch.
In Teheran wird es locker getragen und bedeckt manchmal nicht mal 70% der Haare. In konservativen Gegenden geht es jedoch etwas strenger zu. In Kashan zum Beispiel habe ich meinen blonden Haarschopf immer ordentlicher versteckt.
2. Der Manto – Der Mantel.
Lange Ärmel, nicht eng anliegend, untailliert und Po-bedeckend. Klingt unsexy – muss es aber nicht sein. Die jungen Iranerinnen beweisen hier mit Mustern und Farbkombinationen reichlich Stil: Ob im Leoparden-Look oder in grellen Farben. Gerade in Teheran sieht man hier so einiges.
3. Lange Kleidung.
Legging, Jeans, Leinenhosen, Röcke, Kleider – Hauptsache es reicht mindestens bis zum Knöchel. Enganliegend? Hier kein Problem. Obenherum muss es locker & flockig sein. Das wird euch vor allem auch in den heißen Wüstenstädten freuen 😉
4. Sandalen – kein Problem 😉
Von Frau zu Frau.
Zuhause. Wieder scrolle ich mich durch das Web und wundere mich, wie wenige Reiseberichte ich über den Iran finde. Woher soll ich denn wissen, wie ich mich am besten verhalten soll? Werden mir Männer antworten, wenn ich sie etwas frage? Wie soll ich Menschen begrüßen? Wo darf ich im Bus sitzen? Mein Herz beginnt zu rasen. „Echt jetzt? Und du willst in dieses Land reisen?“, frage ich mich. Unsicher klappe ich den Laptop zu.
Im Bus nach Kashan. Der Busfahrer lächelt mich an und deutet auf die zweite Reihe. Ich lächle zurück und setze mich. Neben mir sitzt eine zahnlose, schwarz gekleidete Frau. Kurz nachdem ich mich gesetzt habe, kommt der Busfahrer wieder zu meinem Platz – im Schlepptau eine weitere alte Dame im konservativen Tschador. Er winkt mich auf und weist ihr meinen Platz zu. Mich setzt er in die Reihe dahinter. Als ein altes Ehepaar in den Bus steigt – die Frau ebenfalls im konservativen Tschador – werde ich wieder versetzt. Ich darf nicht neben Männern sitzen und nicht neben konservativen Frauen. Kurz bevor der Bus abfährt, finde ich meinen Platz – neben einer jungen Studentin aus Kashan.
Reisen als Frau – ohne Mann.
1. Locker, aber nicht zu locker.
Männer nach dem Weg fragen, im Restaurant alleine ein Cola bestellen, alleine durch die Stadt spazieren – alles locker. Aber nicht zu locker: Zwischen Männern und Frauen gibt es in der Öffentlichkeit keinen Körperkontakt und eine angemessene Distanz. In der Regel verabschiedet man sich von anderen zum Beispiel rein mit Worten. Das österreichische „Bussi-links-und-Bussi-rechts“ wird zuhause gelassen.
3. U-Bahn, Bus und Co.
In der U-Bahn gibt es für Frauen eigene Waggons und Wartebereiche, die nicht verpflichtend, aber zu meiner Überraschung angenehm sind. Man ist unter sich, plaudert, scherzt und auch das verrutschte Kopftuch wird mit einem aufmunternden Zwinkern notiert.
4. Couchsurfing
Couchsurfing ist im Iran sehr beliebt – und trotzdem wirst du mehr Männer als Frauen auf der Plattform finden. Ich habe mir meine Hosts gut & lange im Vorhinein ausgesucht und wahre Reiseengel getroffen. Trotzdem würde ich hier raten: Kritiken lesen und sich auf das eigene Bauchgefühl verlassen!
Die stille Revolution.
Zuhause. „Wie kannst du in ein Land fahren, in dem man seine Emanzipation als Frau so abgeben muss?“ fragt mich eine Freundin und schüttelt den Kopf. Einschränkungen am eigenen Körpers. Einschränkungen im Umgang mit anderen. Einschränkungen im täglichen Leben. Klar wird es komisch sein, mich an all diese neuen Regeln zu halten. Wahrscheinlich wird es mich auch irgendwann mal nerven. Aber wie könnte ich sonst den Iran bereisen und die Menschen dort verstehen lernen, wenn ich mich nicht selbst – wenn auch nur kurz – in ihre Situation begebe.
Im Norden des Iran. „Es ist nicht immer einfach, weißt du.“ Sanaz streichelt den Kopf ihres schlafenden Sohnes, der auf ihrem Schoss liegt. „Wir müssen auf so vieles aufpassen.“ sagt sie. Ihr Kopftuch liegt neben ihr auf der Picknickdecke, auf dem Picknickplatz den wir lange gesucht haben und der von allen Seiten uneinsehbar ist. In ihren offenen schwarzen Haaren spiegelt sich die Sonne. Sie erzählt mir, dass Radfahren nicht erlaubt ist. Dass Tanzen und Singen für Frauen in der Öffentlichkeit nicht erlaubt ist. Dass sie bereits zweimal festgenommen wurde, weil ihr Kopftuch falsch saß oder zu durchsichtig war. Sie erzählt mir, dass sie manchmal Angst habe. Und dass sie oft die Fotos ihrer Mutter anschaut, die sie in kurzen Röcken zeigen, in einer Zeit in der alles anders war. Und dann erzählt sie mir, dass sie hofft. Für den Iran. Für ihren Sohn. Aber vor allem für die Tochter, die sie noch nicht hat, aber vielleicht einmal haben wird.
Der Iran & seine Frauen.
- Erst 1979 verloren die Frauen wieder das Recht Fahrrad zu fahren oder in der Öffentlichkeit zu singen und zu tanzen.
- Seit diesem Jahr gibt es auch die „Sittenpolizei“, die vor allem junge Iranerinnen kontrolliert.
- Für viele Iranerinnen ist Kleidung mehr als Kleidung. Ob es bunte Socken sind, hochgeschobene Ärmel und nackte Handgelenke oder ein Pony, der unter dem Hijab hervorschaut. Eine Revolution beginnt oft im Kleinen. Vor allem im Iran.
Und wie war’s jetzt wirklich?
Zuhause. „Und jetzt mal ganz ernst: Wie war’s?“, fragt mich ein Freund und schaut mich fragend an. „Ist dir jemals was Unangenehmes passiert?“ Er meint „als Frau“. Ich überlege kurz. Nicht immer war das Kopftuch oder die lange Kleidung für mich angenehm. Manchmal wollte ich es mir in der Hitze von Yazd vom Kopf reißen. Ab und zu haben mich die Blicke der Männer, aber auch der Frauen überfordert. Und einmal, ja, einmal hatte ich ein Erlebnis, welches ich lieber nicht gehabt hätte. Und doch: Ich habe mich im Iran immer sicher gefühlt. Immer gut aufgehoben. Auch mit Kopftuch. Vielleicht, weil ich wusste, dass es nur ein temporärer Ausflug in eine andere Welt war. Weil ich mir sicher sein konnte, bald wieder frei zu entscheiden, ob ich mein Haar verhüllen will. Weil ich wusste, ich lebe in einem Land, in dem ich in der Öffentlichkeit laut singen, durch die Nacht tanzen und anziehen kann, was ich will. Und genau deswegen bewundere ich all die Frauen, die ich kennenlernen durfte umso mehr: Weil sie damit jeden Tag leben und trotzdem nicht aufgeben. Weil sie jeden Tag etwas riskieren. Weil sie jeden Tag im Stillen für ihre Rechte kämpfen.
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