Die S-Bahn fährt ein und mein Magen dreht sich um. Was bin ich nervös. Wird alles gut gehen? Wird er weinen? Wird es sehr stressig – für uns, für ihn und die restlichen Passagiere im Flugzeug? Voll bepackt mit Buggy, zwei Reisetaschen und Rucksäcken stehen wir am Bahnsteig. Der Nomadenmann, das 5 Monate alte Nomadenbaby und ich. Der kleine Mann schläft in der Trage, während der Große die Taschenarmada in den Zug hievt. Die S-Bahn tuckert los und der Nomadenbub verschläft die Fahrt. Er verschläft das Einchecken. Und sogar den Security Check, der schuld daran ist, dass er von der Trage in den Buggy wandern muss. Macht nichts, denkt er sich, und lässt Mama und Papa noch ein viel zu teures Frühstück am Wiener Flughafen genießen. Stress? Fehlanzeige.
Priority Boarding. Oder so.
„Ein Vorteil mit Baby“, meint der Nomadenmann und sprintet los als die Schlange sich zu bewegen beginnt. Den Faltbuggy lassen wir vor dem Flugzeug zurück und steigen ein. Um gleich danach wieder aufzustehen. „Das ist mein Sitz“, sagt der junge Mann mit Bierfahne. Unter fünf Windeln, Babyrassel und Kuscheldecke kramen wir die Tickets raus. Zweimal 28 D. Der Nomadenmann räumt den Platz. Zwei Minuten später. „Entschuldigung, Sie sitzen auf meinem Sitz.“ Wieder kramen wir die Tickets raus. Wieder zweimal 28 E. Das Nomadenbaby brummt genervt. Ich schließe mich an und packe die verstreuten Spielzeuge, Stoffwindeln und das Nomadenbaby, um dann 15 Minuten am Gang des Flugzeuges zu stehen und Zeuge der Unfähigkeit der Stewardessen zu werden, die uns zweimal auf Plätze setzen, die wir dann erst recht wieder verlassen müssen. Während der Nomadenmann immer genervter wird, wird der kleine Mann immer entspannter, schließlich gibt’s bei jedem Platzwechsel neue Leute, mit denen er flirten kann. 15 Minuten später und einen Passagier zu viel an Board rattert das Flugzeug über die Startbahn. Wir sind – nebeneinander sitzend, mit dem schlafenden Nomadenbaby im Arm – auf dem Weg nach Korfu. Geht doch.
Das Reisebaby.
Während der Nomadenmann den Buggy schiebt, quietscht der Nomadenbub vergnügt aus der Trage und zieht an jeder Ecke entzückte Blicke auf sich. „Oh, is he cute!“, „How old is he?“, „Cute boy!“ Die Griechen überhäufen das Nomadenbaby mit Komplimenten und Streicheleinheiten. Die ganze Aufmerksamkeit dürfte dem kleinen Mann gefallen, denn er ist – trotz der Anreise, der neuen Umgebung, der 32 Grad – entspannt wie nie zuvor. Mit einem abwechselnd schlafend oder grinsenden Baby in der Trage flanieren wir durch die kleinen Gassen der Altstadt, spazieren zur alten Festung und werfen vom Hafen aus einen Blick auf unser nächstes Reiseziel, von dem uns noch eine 2-stündige Bootsfahrt trennen. Abends, während das Nomadenbaby in seinem Reisegitterbettchen schläft, stoßen der Nomadenmann und ich mit einem griechischen Kumquats Likör von unserem Host auf unsere erste Reise mit dem kleinen Mann, die doch bis jetzt recht gut läuft, an. Geht doch.
(K)eine Bootsfahrt, die ist lustig…
Ich schaue die Dame vor mir verzweifelt an. „Wie, die Fähre fährt nicht? Wir haben doch bereits die Tickets…“ Sie schüttelt den Kopf und lässt ihre Locken fliegen. „Sorry.“ Dass wir die Tickets bereits bezahlt haben ist sowohl ihr als auch der Fähre egal. „Und jetzt“, frage ich sie. Wir sollen zur anderen Seite des Hafens gehen, 20 Minuten, die Tickets umtauschen oder neue kaufen. Die nächste Fähre nach Albanien verpassen wir sowieso. Ich schnaufe und spüre wie der kleine schlafende Körper an meiner Brust unruhig wird. 20 Minuten bei 32 Grad durch die Mittagshitze um die Tickets umzutauschen. Freundlich aber bestimmt weise ich die Griechin vor mir darauf hin, dass ich keine Lust habe mit dem 5 Monate alten Nomadenbaby denselben Weg, den wir kamen wieder zurück zu laufen und frage ob es denn keine andere Option gäbe. „Oh, you’ve got a Baby“ säuselt sie und ich verkneife mir ein sarkastisches „Nein, ich trage eine Puppe bei 32 Grad in der Trage spazieren. Nur so zum Spaß.“ Ein „Yes“ tut’s auch und erfüllt seinen Zweck: 30 Minuten später sitzen wir ohne einen Fußweg oder Tickettausch – auf der nächsten Fähre nach Albanien. Der Nomadenbub ist aufgewacht und super gelaunt. Geht doch!
Alle guten Dinge sind 3. Alle nicht so guten auch.
„Echt jetzt?“, frage ich den mitleidig dreinblickenden Mann hinter dem Schreibtisch der Autovermietung, obwohl er mich nicht versteht. „I am sorry. I didn’t know that you have a baby…“ Eine spärliche Entschuldigung dafür, dass er unseren vorab gebuchten Mietwagen aufgrund einer verspäteten Abholung einfach vergeben hat. Und dass wir einen Kindersitz zu unserem nun weitergegebenen Mietwagen gebucht haben ist hier in Albanien anscheinend kein Indiz für ein Kind. Es wäre ja zum Lachen, wenn mir nicht gerade zum Weinen – vor Ärger versteht sich – zumute wäre. Frustriert drehe ich mich um und blicke in zwei verzweifelt dreinblickende Gesichter. Das eine hat Hunger. Das andere… auch 😉 Wären der Nomadenmann und ich jetzt alleine unterwegs, wäre das eine Situation wie viele andere. Doch mit dem Nomadenbaby im Gepäck gestaltet es sich doch etwas komplizierter. Wie treiben wir nun einen neuen Mietwagen mit Einwegmiete auf, der einen passenden Kindersitz hat, genug Platz für unser Gepäck und der auch fährt? Der Hungerruf des Nomadenbabys verschafft uns Zeit um einen Plan aufzustellen und Angebote zu vergleichen: Während der vorab gebuchte Anbieter uns ein Privatfahrzeug mit Mietvertrag organisieren will, haben wir bei den anderen einen kleinen Toyota Yaris mit Kindersitz, der aber erst am Abend bereitstehen würde oder einen viel zu kleinen Suzuki zur Auswahl. 1, 2 oder 3?
Geht doch!
Im Halbdunklen stehe ich auf der Straße, als der kleine, grüne Toyota Yaris anrollt. Er ist kleiner als gedacht und der Kindersitz ist etwas zu groß für unseren kleinen Mann – aber er fährt, er steht vor unserer Türe und er wird uns die nächsten 2 Wochen durch Albanien bringen. Mit dem Schlüssel in der Tasche spaziere ich wieder zurück auf unser Zimmer und setzte mich zum Nomadenmann auf den kleinen Balkon, während das Nomadenbaby bereits im Hotelgitterbettchen schläft. Nach zwei anstrengenden ersten Reisetagen schauen wir zu, wie über dem Meer vor Saranda die Sonne untergeht und grinsen uns stolz an. Na bitte, geht doch!
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